
Geschichte: Das Loch in der Brücke
Irgendwo auf den Hügeln streckt ein entdeckungsfreudiges Murmeltier seine Nasenspitze aus dem Winterbau seiner Familie heraus. Der Frühling ist gekommen und die Luft riecht nach frischen Abenteuern. Das junge Murmeltier kann seine Freude über den Frühlingsbeginn kaum verbergen. «Mama, wann darf ich raus?», fragt Murmeltier Luzzi in voller Aufregung. Mama Murmeltier verdreht ihre Augen und macht sich zusammen mit Papa Murmeltier an die Arbeit, den Bau frei zu machen. Sobald der Bau offen ist, stürmt Luzzi in die freie Natur heraus und geniesst den Duft der frischen Gräser. Seine Geschwister sind da viel zurückhaltender. Sie sitzen alle noch im Bau und warten schüchtern, bis ihre Eltern sie langsam herausstupsen. Murmeltiere hocken viel lieber in ihrem Bau, weil sie sich da sicher und geborgen fühlen. Nicht so Luzzi: Er strotzt schon vor Abenteuerlust und hat seinen blauen Rucksack gepackt.
«Luzzi, wo willst du denn jetzt schon wieder hin?», fragt seine Mama besorgt. «Ich gehe schauen, was die Kinder so machen. Bis bald, Mama, mach dir keine Sorgen!», und dann macht er sich auf den Weg. Murmeltier Luzzi mag Kinder sehr gerne. Sie sind entdeckungsfreudig wie er selbst. Und wo findet man entdeckungsfreudige Kinder? Auf spannenden Erlebnispfaden und Themenwegen. Das heutige Ziel ist der Wurzelweg im Lengnauer Wald. Er hat gehört, dass es da viele schöne Holzbrücken gibt, über die man gehen kann.
Als er beim Wurzelweg ankommt, läuft er durch die grünen Wälder und über die mit Wurzeln bedeckten Wege. Das macht besonders viel Spass. Er trifft auf ein lustiges Klangspiel, auf dem er schöne Töne mit einem Stock erklingen lassen kann. Die Tiere des Waldes lauschen ihm gebannt zu. Weiter geht es zum Waldhaus, wo er auf eine gemütliche Schaukel trifft. Diese muss er unbedingt ausprobieren und setzt sich drauf. Da lauscht er einer Gruppe von Kindern, welche gerade über den Wurzelweg sprechen: «Die schöne Holzbrücke über den Sumpf ist leider kaputt, da fehlt ein Balken, was sollen wir bloss machen. So können wir den Weg nicht zu Ende gehen!» Das muss sich Luzzi unbedingt ansehen. Er mag es gar nicht, wenn Kinder traurig sind. Vielleich kann er ja irgendwie helfen?
Er macht sich auf den Weg zu der Holzbrücke und sieht das Loch schon von Weitem. Oje – was kann man hier tun? Mitten in der Brücke ist ein Balken ins Wasser gestürzt und hat ein riesiges Loch hinterlassen. Luzzi setzt sich an den Rand der Brücke und überlegt; da hört er plötzlich eine Stimme über sich: «Hey du, was bist denn du für einer?» Luzzi schaut nach oben in die Bäume und sieht ein braunes Eichhörnchen, das frech seine Nase in seine Richtung streckt. «Ich bin das Murmeltier Luzzi und wohne auf den Hügeln. Ich möchte den Kindern helfen, das Loch in der Brücke zu flicken», sagt Luzzi voller Aufregung. Das Eichhörnchen sitzt ruhig da und überlegt, dann sagt es: «Wie wäre es, wenn wir einige Äste, Zweige und Blätter suchen, damit wir diese über das Loch legen können?» Luzzi findet das eine gute Idee und macht sich zusammen mit dem Eichhörnchen auf die Suche nach genügend Material. Als sie eine ausreichende Menge zusammen haben, legen sie die Äste und Zweige behutsam auf das Loch. Noch ein paar Blätter drauf, und fertig ist es. Luzzi versucht über das Loch zu gehen, doch beim ersten Tritt knackt es unter seinen Füssen. Platsch – er fällt zusammen mit den Ästen ins Wasser. Das Murmeltier schwimmt so gut, wie es kann, zum Ufer. Einige Frösche helfen ihm dabei, sicher wieder aus dem Wasser zu kommen. Das war wohl keine so gute Idee.
Traurig setzt sich Luzzi wieder unter einen Baum und weiss nicht weiter. Kann er den Kindern überhaupt helfen oder sollte er besser wieder nach Hause gehen? Lange sitzt er da und grübelt nach einer Lösung, als plötzlich ein kleiner Spatz auf einem Zweig landet. «Was ist denn mit dir los, du siehst so traurig aus?», fragt der Spatz. Murmeltier Luzzi erzählt ihm die ganze Geschichte und der Spatz hört neugierig zu. Als Luzzi fertig ist mit seinen Erzählungen, sagt der Spatz: «Du brauchst also etwas Festeres, um das Loch zu flicken. Es müsste ein grosses Stück Holz sein. Frag doch mal den Biber, ob er dir helfen kann?» Hier gibt es einen Biber? Das sind tolle Neuigkeiten. «Kannst du mir zeigen, wo der Biber wohnt?», fragt Luzzi den Spatzen erwartungsvoll. Zusammen machen sie sich auf dem Weg zum Bach und klopfen an den Biberbau. Da tut sich aber nichts. Sie klopfen noch fester, dann ertönt eine Stimme aus dem Innern: «Wer wagt es, mich beim Schlafen zu stören?» Das Murmeltier erzählt ihm von der Holzbrücke und dem Loch. «Kannst du uns helfen und mit deinen Zähnen ein grosses Stück Holz fertigen?», fragt Luzzi ganz gespannt. «Eigentlich würde ich viel lieber noch etwas schlafen, aber den Kindern zu liebe mache ich mich gleich an die Arbeit», erwidert der Biber. So nagt er mit seinen Zähnen an einem Holzstamm herum, bis ein grosser, fester Balken entstanden ist.
«Wie bringen wir diesen Balken nun zur Brücke», fragt Luzzi verwundert, denn der Balken ist ziemlich schwer für ein kleines Murmeltier. «Das ist nun wirklich nicht mein Problem. Ich muss mich jetzt wieder ausruhen, nach dieser harten Arbeit. Aber im Wald gibt es genug Tiere, die dir helfen können», und mit diesen Worten verabschiedet sich der Biber und zieht sich wieder in seinen Bau zurück. Der Spatz hilft Luzzi, so viele Tiere wie möglich zu finden, die ihnen helfen. Und so kommt das Eichhörnchen mit seiner Familie, ein Dachs, und sogar der Fuchs. Alle helfen mit, den langen Holzbalken zur Brücke zu tragen. Als sie dort ankommen, legen sie den Balken behutsam über das Loch. Luzzi wagt nochmals den Versuch und läuft mutig darüber. Der Balken hält. In diesem Moment kommen die Kinder vom Waldhaus und können es kaum fassen, dass die Brücke schon repariert ist. Die Kinder steigen langsam über die Brücke und auch dieses Mal hält der Balken. Luzzi ist sehr zufrieden und freut sich mit den Kindern, dass diese denn Wurzelweg nun doch noch bis zum Ende gehen können.
Luzzi bedankt sich bei all seinen Helfern aus dem Wald und macht sich nach einem ereignisreichen Tag wieder auf den Heimweg. Zu Hause erwarten ihn schon seine Eltern und die Geschwister. «Wo warst du denn so lange», fragt Mama Murmeltier und nimmt Luzzi in ihre Arme. «Weisst du Mama, ich musste doch den Kindern helfen», und so erzählt Luzzi seiner Familie von seinen Abenteuern auf dem Wurzelweg.